Welche*r Musiker*in hat dich am meisten beeinflusst?
Als Kind habe ich extrem gerne Enya (Celtic Folk) und Phil Keaggy (Folk-Fingerstyle-Gitarre) gehört. Da ich im Tessin aufgewachsen bin, waren die ersten Lieder, die ich an der Gitarre lernte, von den bekanntesten italienischen Cantautori wie Fabrizio de André, Edoardo Bennato, Vasco Rossi, usw. Auch französische Chansons haben meine Kindheit und Jugend sehr geprägt. Später entdeckte ich für mich Künstler*innen aus dem Englischsprachigen Raum wie Joni Mitchell, Joan Baez, Johnny Cash, Bob Dylan, Karen Dalton und weitere modernere Indie-Folk-Künstler*innen und Bands, wie Bon Iver, Ben Howard, The Staves, Alexi Murdoch, José Gonzalez, Mumford & Sons, Gabrielle Aplin. Heute fühle ich mich sehr von Anaïs Mitchell (sowie auch ihre Band Bonny Light Horseman), The Tallest Man on Earth, The Dead Tongues und Ye Vagabonds inspiriert.
Was kannst du mir auf deinem Instrument besser beibringen als alle anderen Lehrer*innen?
Obwohl schon seit ich 6 bin Gitarre spiele, habe ich lange nicht daran geglaubt, dass ich das nötige Talent habe, um überhaupt eine musikalische / künstlerische Karriere anzustreben. Dazumals vermutlich geprägt von der Beliebtheit von Talentshows, keine Vorbilder*innen in meinem Umfeld und einem Hang zum Perfektionismus, dachte ich lange, dass mein Können nicht für das konkrete Musikschaffen reicht. Ich habe mich dann für eine Ausbildung im Bildungsbereich entschieden, habe aber weiterhin im stillen Kämmerlein meine Lieblingssong autodidaktisch gelernt zu spielen.
Ich habe erst in der Mitte meiner 20er realisiert, dass ich extrem gerne Songs schreibe und dass mein Gitarrenspiel zu dem Zeitpunkt völlig ausreichend war, um meine Songs und meinen Gesang dabei zu begleiten. Mir wurde auch durch den Lehrerberuf bewusst, dass es nie zu spät ist, neue Fähigkeiten zu erlernen und beherrschen. Eine realistische Zielsetzung und regelmässiges Üben können tatsächlich zum Erwerb von neuen musikalischen Skills führen. Die Erkenntnis, dass das Fehlermachen massgeblich zum Erfolg beitragen kann, hat mir Mut gemacht, Neues auszuprobieren und zu wagen. Dabei war es auch für mich enorm wichtig zu lernen, auf meine eigene Intuition zu hören.
Dieses Umdenken hat dazu beigetragen, dass ich innerhalb weniger Jahren ein eigenes Projekt auf die Beine stellen konnte und dabei einiges über das Komponieren, Aufnehmen und Veröffentlichen meiner Songs gelernt habe. Heute begleite ich aufstrebende Musiker*innen als Beratungsangebot in einem Musikverein als Kulturbeauftragte genau über diese Themen.
In meiner Ausbildung und mehrjähriger Erfahrung als Heilpädagogin mit Kindern und Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten, habe ich wertvolle Methoden gelernt und angewendet, welche die Schüler*innen dabei unterstützen, ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Anders als anderen Lehrer*innen kann ich somit dir nicht nur konkrete Spiel- und Songwritingtechniken beibringen, sondern dir auch Tipps geben, wie du deine Ziele realistisch und mit Freude erreichen kannst.
Wie hast du singen gelernt?
Ich war als Kind viel in Chören in der Kirche unterwegs und habe erst als Erwachsene Techniken gelernt, wie ich meine Stimme langfristig und gesund einsetzen kann. Dabei war mir wichtig, der Klang meiner eigenen Stimme akzeptieren zu lernen und sie so zu trainieren, dass ich noch viele Jahre gesund und mit Freude singen kann. Ich bin immer noch am lernen, besuche immer wieder selbst Gesangsunterricht und habe Freude, an dem was ich über das Singen und meinen eigenen Stimmapparat lerne.
Wie gehst du vor, wenn du selber einen Song schreibst oder ein Stück komponierst?
Ich lese viel Geschichte und Gedichte, ich schreibe auch regelmässig meine Gedanken auf. Häufig kommt mir die Inspiration für einen Text oder ein Lied, wenn ich unterwegs bin: Dabei versuche ich jeden Satz und jede Melodie festzuhalten. In einem ruhigen und stillen Moment, komponiere ich weiter. Ich nehme mir dabei auch wenn nötig Pausen, denn gute Ideen brauchen aus meiner Erfahrung Raum und Zeit, um sich weiterzuentwickeln. Die Songideen mit anderen zu teilen und mit vertrauten Musiker*innen live zu spielen ist auch ein grosser Teil des Prozesses, denn dabei entstehen häufig neue Ideen, oder ich merke schneller, was funktioniert und was nicht. Ich beginne mittlerweile die Songs zudem direkt in meinem Homestudio aufzunehmen und schaue dann, in welche Richtung während der Produktion sie sich entwickeln.
Auf welchem Equipment spielst du heute?
Ich spiele auf Westerngitarren (6- und 12-saitige), klassischen Gitarren und Open-Back-Banjo, welche ich aufgrund ihres Klangs, Spielbarkeit und Material über die Jahre ausgesucht habe.
Welche persönliche Eigenschaft hat dir beim Üben am meisten geholfen?
Die Disziplin und die Eigenmotivation bestimmte Spieltechniken zu erlangen, hat mir bestimmt beim Üben geholfen. Wenn ich nach einigen Monaten endlich spüre, dass ich plötzlich ein Lied oder einen Riff fliessender spielen kann, ist das Gefühl unbezahlbar. Das stärkt das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit. Zudem sind Techniken wie Visualisieren, positives Mindset, Selbstreflektion, Inspiration in der Musik oder in Texten von anderen Künstler:innen zu finden, auch wichtige Eckpfeiler im Übungsprozess. Dabei geht es mir beim Erlernen dieser Techniken immer darum, meinen eigenen Sound zu entwickeln und Freude dabei zu spüren.
Was hat dein Instrument, was andere nicht haben?
Die akustische Gitarre ist ein Instrument, welches man unkompliziert überall mitnehmen kann. Dabei ist es besonders spannend festzustellen, wie der Bau, die Grösse, die Form, das Holz und die Materialien deren Klang ändern können. Zudem gibt es einige Techniken, die man ausprobieren kann, um auf einen anderen interessanten Sound zu erlangen. Wie zum Beispiel wenn eine Spielkarte zwischen den Saiten auf dem Hals angebracht wird, wie es Johnny Cash tat, um einen rhythmischen Ton zu erzeugen. Oder wenn man einen Stück Gummi unter dem Steg legt, um einen gedämpfteren Sound zu bekommen, wie es heute bei vielen Indie-Folk-Artists beliebt ist ("rubber bridge guitar").
Clawhammer Banjo ist eine sehr spezifische Spieltechnik eines Open-Back-Banjos, welche aus der Oldtime-Musik stammt. Dabei klingt es dann nicht so "twangy", wie es man vor allem von der Bluegrass-Country-Musik kennt, sondern setzt weichere Akzente und lässt sich hervorragend auch als Begleitung von moderneren Liedern einsetzen.
Worauf achtest du dich besonders beim Unterrichten?
Beim Unterrichten achte ich sehr auf eine klare und ehrliche Kommunikation. Ich nehme mir Zeit zu verstehen, welche Ziele angestrebt werden und welche Techniken nötig oder erwünscht sind, um diese zu erreichen. Dabei bitte ich auch immer wieder um Rückmeldungen zum Unterricht, um es den Bedürfnissen des Schülers/der Schülerin anzupassen und versuche dabei klar auch meine Erwartungen zu kommunizieren. Zudem ist es mir besonders wichtig, einen Safe Space zu schaffen und die Freude am Musizieren und Kreieren zu fördern.
Wie baust du deine Musikstunden auf?
Das ist sehr vom Schüler/von der Schülerin abhängig. Meistens aber achte ich darauf, dass es in der Lektion Platz für sowohl das begleitete Üben als das kreative Spielen und Musizieren hat.
Wie gehst du bei Kindern vor?
Auch da kommt es auf die Wünsche und Bedrüfnisse des einzelnen Schülern/der einzelnen Schülerin an. Bei den Kindern schaue ich besonders darauf, dass bestimmte Lerntechniken und Übungen spielerisch und altersgerecht beigebracht werden, dass sie Freude am Musizieren spüren und dass sie sich als selbstwirksam erleben.
Was war bis anhin dein tollstes Erlebnis als Musikerin?
Da gibt es einige! Ich liebe es, wenn ich auf der Bühne mit befreundeten Musiker*innen bin, dabei das Spielgefühl einfach stimmt, die Freude da ist und das Publikum auch "mitschwingt". Sowie ich es auch liebe, wenn nach langem Krampfen im Studio plötzlich die Inspiration kommt und in wenigen Stunden der Song plötzlich die Form annimmt, die ich lange gesucht habe.
Welches war die grösste Bühne, auf der du gespielt hast?
Vermutlich die Grabenhalle in St. Gallen.
Mit welcher*welchem Musiker*in würdest du gerne einmal spielen?
Mit Anais Mitchell, aufgrund ihrer gefühlsvollen Stimme und poetischen und starken Texten oder mit Kristian Matsson (Tallest Man on Earth) für sein Spielgefühl und seine Freude, die er auf der Bühne ausstrahlt.
Welche eine Platte würdest du auf die einsame Insel mitnehmen?
Aktuell "Henry St." von The Tallest Man on Earth.
Auf welcher Bühne würdest du am liebsten spielen oder spielst du am liebsten?
In den letzten Jahren habe ich sehr gerne in der Werkstatt, im Museumscafé (beide in Chur), in einer schönen Kirche oder mal draussen auf einer Waldlichtung in der Val Müstair gespielt. Aber eigentlich spielt es mir keine Rolle, wo und wie gross die Bühne ist: Hauptsache spüre ich dabei, dass meine Musik dort passt und sie mit der nötigen Ruhe angehört wird.
Was ist neben der Musik noch wichtig in deinem Leben?
Lesen, Schreiben, Sport, Zeit mit meinem Mann zu verbringen, neue Menschen kennenzulernen, neue Projekte anzureissen und zu planen.