Welche*r Musiker*in hat dich am meisten beeinflusst?
Mich beeindrucken Künstler*innen, die ihren eigenen Weg gehen und dabei eine klare und aufrichtige Linie verfolgen, auch wenn sie nicht auf Anhieb in offene Arme der Expert*innen und des Publikums laufen. Oftmals werden/wurden sie sogar von den Kunsthochschulen abgelehnt, wie zum Beispiel Nadia Sieger (Ursus & Nadeschkin), die an der Schauspielschule nicht angenommen wurde und dennoch ihren Lebenstraum höchst erfolgreich verwirklicht hat. Und - hätte Maria Callas in den 50er Jahren eine Aufnahmeprüfung an einer deutschen Musikhochschule gemacht, wäre sie womöglich abgelehnt worden. «Die Callas» hatte keine schöne Stimme, darüber waren sich wohl alle einig. Zudem war sie damals noch ein dickes, eher hässliches Mädchen. Ein italienischer Gesangsexperte soll einmal gesagt haben: «die Frau hat Essig in der Stimme». Dennoch ist sie ihren Weg gegangen und wird bis heute als eine der bedeutendsten Sopranistinnen gefeiert! Genauso berührt mich die Stimme eines völlig unbedacht frei singenden Menschen auf der Strasse.
Was kannst du mir auf deinem Instrument besser beibringen als alle anderen Lehrer*innen?
Ich schaue mit meinen Schüler*innen was sie fasziniert und wo ihre Freude daheim ist. In der eigenen Freude ist jede*r Sänger*in ein Unikat, unverwechselbar. Darauf lege ich meinen Fokus und verstehe meinen Unterricht als Dienst an der Grösse des Schülers/der Schülerin. Durch diese Arbeit habe ich Schüler*innen auf ihre ureigenen Bühnen gecoacht und helfe, wo es von ihnen gewünscht ist, sich selbst treu zu sein.
Wie hast du singen gelernt?
Ich hatte die Stimme schon früh als ein gleichsam machtvolles wie die Menschen verbindendes Instrument erlebt. Wo gesungen wurde, da war ich glücklich! Vollkommen unerwartet wurde mein Leben in meinem 18. Lebensjahr auf den Kopf gestellt. Während eines Chorkonzertes fiel meine Stimme einem Solisten auf, und er empfahl mir, unbedingt einer neuen Gesangsdozentin an der ZHdK Zürich vorzusingen. Diese war derart begeistert von meiner Stimme, dass sie sich bereit erklärte, mich in ihre Klasse aufzunehmen. Durch diesen Zufall kam ich als Sängerin auf die Bühnen Europas.
Wie gehst du vor, wenn du selber einen Song schreibst oder ein Stück komponierst?
Zur Zeit schreibe ich keine Songs.
Auf welchem Equipment spielst du heute?
Mein PA-Verstärker und Klangraum ist mein Körper im Raum und meine Stimmbänder sind das, worauf ich spiele. Mein Geist ist das Mischpult.
Welche persönliche Eigenschaft hat dir beim Üben am meisten geholfen?
Kreatives Dranbleiben. Ich habe gelernt, dass Befindlichkeiten vorübergehen, und, dass auf einen schlechten Tag auch wieder ein guter folgt.
Was hat dein Instrument, was andere nicht haben?
URSPRÜNGLICHKEIT und Transformationskraft.
Worauf achtest du dich besonders beim Unterrichten?
DA sein! Der Mensch ist das einzige Wesen, der Grobstofflichkeit und Feinstofflichkeit in sich vereinen und sich aufrichten und zum Ausdruck bringen kann. Der Sänger ist die Saite zwischen Himmel und Erde.
Wie baust du deine Musikstunden auf?
Da gibt es keine feste Regel. Hilfreich ist ein erstes Ankommen und der Moment einer Kontaktaufnahme mit sich selbst, dem Instrument. Das kann sich in Form von Befindlichkeiten, Thematiken aus der letzten (Üb)woche und dem Fokus auf das nächste Ziel zeigen.
Wie gehst du bei Kindern vor?
Genauso wie ich mit allen Schüler*innen arbeite: Hinhörend und verspielter Authentizität, mit Freude, Leichtigkeit, angepasst an den Entwicklungsstand Menschen und seine Stimme. Dabei hilft mir sicherlich mein erster Bildungsweg zur Kindergärtnerin.
Was war bis anhin dein tollstes Erlebnis als Musikerin?
Die völlig unerwartete Entdeckung meines Talentes und, dass meine Stimme zu meiner Berufung wurde. Mein Weg hat mir gezeigt, dass es immer ein Tor zu den eigenen wahren Begabungen und Qualitäten gibt, und wie weitreichend Zufälle im Leben sein können, wenn man das Tor durchschreitet. Mut ist manchmal gut.
Welches war die grösste Bühne, auf der du gespielt hast?
Das war mit Sicherheit mein Vorsingen an der komischen Oper Berlin, das mir über meine damalige Agentur vermittelt wurde. Es war nie mein Ziel, auf grossen Bühnen zu singen und dennoch war es ein einmaliges Erlebnis, in diesem Haus inmitten von Berlin vorzusingen und bei dieser Gelegenheit für mich interessante Künstler*innen und Orte in der Kleinkunstszene kennen zu lernen. Zu entdecken wie sich die Gesangs- und Bühnenkultur in verschiedensten Ländern und Kulturen ergänzt oder unterscheidet, war für mich mega spannend und für meine eigene Laufbahn bereichernd. So nutzte ich die Gelegenheit, in den Unterricht hineinzuschauen, wo immer ich konnte und auf der Bühne stand. Was unterscheidet zum Beispiel ein Gesangsstudium in Bratislava oder Israel von unserem hier in der Schweiz? Oder wie erfahren sich die Mexikaner*innen in ihrer Stimme? Da kam es durchaus vor, dass ich ein Land über Monate besuchte, um selbst Stunden zu nehmen und mich mit Studenten auszutauschen.
Mit welcher*welchem Musiker*in würdest du gerne einmal spielen?
Es gibt diese Momente, in denen du dastehst und mit anderen gemeinsam musizierst wie wenn es kein Gestern und kein Morgen gäbe. Diese erhebenden Momente können mit jedem beseelten Musiker oder Musikerin entstehen.
Welche eine Platte würdest du auf die einsame Insel mitnehmen?
Hmmm... Da fällt mir zur Zeit keine ein. Es wäre schade, die Musik der Insel zu verpassen.
Auf welcher Bühne würdest du am liebsten spielen oder spielst du am liebsten?
Auf der Bühne des Lebens.
Was ist neben der Musik noch wichtig in deinem Leben?
Für mich spielt die Musik das Leben. Darin gibt es vieles zu entdecken. Neben der Stimme ist das mit Sicherheit das Schreiben, gute Gespräche mit Freunden, ein Hunde-Spaziergang, Neues ausprobieren und umsetzen uvm. Zukunftsmusik: Neue Ideen auf die Bühne bringen.